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Ludwigslust ist keine gewachsene Stadt; sie entstand
auf dem Reißbrett, Ein Mecklenburger Herzog wünschte
Mitte des 18.Jahrhunderts eine zeitgemäße Residenz;
seine Baumeister, Beamten und Arbeiter schufen sie binnen
zweier Jahrzehnte fast aus dem Nichts. Sie hinterließen
uns damit die einzige einheitlich konzipierte Stadtanlage
der Barockzeit im Nordosten Deutschlands.
Herzog Friedrich von Mecklenburg übernahm die
Regierungsgeschäfte 1756 von seinem Vater, Herzog
Christian Ludwig II. Dieser hatte seine Tage mit
besonderer Vorliebe in einem bescheidenen
Jagdschlößchen in der Nähe des Dorfes Klenow
verbracht, das deshalb seit 1754 Ludwigslust genannt
wurde. Sein Sohn Friedrich beschloß nach Ludwigs Tod,
die Residenz ganz von Schwerin nach Ludwigslust zu
verlegen, obwohl es in einer eintönigen Landschaft mit
Sümpfen, Heideflächen und Nadelwäldern lag, die zwar
wildreich war, wegen ihrer Trostlosigkeit aber auch
abwertend als »Griese Gegend« bezeichnet wurde.
Dafür mußten zunächst einmal die ohnehin armen Bauern
des Dorfes Klenow weichen. Dann galt es, für die
geplanten Wasserspiele im zukünftigen Schloßpark das
notwendige Naß herbeizuführen. Zu diesem Zweck wurde
noch während des Siebenjährigen Krieges ein 28 km
langer Kanal gegraben, der knietief die Flüßchen Stör
und Rögnitz miteinander verbindet. Nachdem jener Krieg
1763 zu Ende gegangen war, konnte Herzog Friedrich von
Mecklenburg 1765 endlich mit dem Bau seiner neuen
Residenzstadt beginnen. 1776 war das neue Schloß
fertiggestellt; der Herzog konnte nun zwar standesgemäß
wohnen, doch blieben ihm nur neun Jahre, sein neues
Ludwigslust zu genießen.
Sein Neffe, Friedrich Franz I., der 1785 seine Nachfolge
antrat, war glücklicher. Er regierte 52 Jahre lang und
baute in dieser Zeit Stadt und Park weiter aus. 1837
verlegte sein Nachfolger, Großherzog Paul Friedrich die
Residenz nach Schwerin zurück; Ludwigslust sank zu einer
reinen Garnisons- und Beamtenstadt herab. In DDR-Zeiten
wurden hier vor allem Fleisch- und Wurstwaren sowie
Spirituosen erzeugt. Heute setzt die Kreisstadt ihre
Hoffnungen auf den Tourismus.
Daß Ludwigslust auf dem Reißbrett entworfen wurde, wird
besonders deutlich, wenn man sich dem Schloßplatz (der
heute zugleich zentraler Parkplatz ist) über die breite,
von Linden und einheitlichen, zweigeschossigen roten
Backsteinhäusern gesäumte Schloßstraße nähert. Die
bescheidene Pracht dieser Straße weckt Erwartungen, die
an ihrem Ende auf der Schloßbrücke, die den
Ludwigsluster Kanal überspannt, mehr als erfüllt
werden: Das Schloß wirkt nach dieser Einstimmung und in
dieser Umgebung überraschend und monumental. Daß es wie
alle Häuser der Stadt aus Backsteinen erbaut wurde,
verbirgt eine Sandsteinverkleidung.
Der zweiflügelige, dreigeschossige Bau erhebt sich im
Norden eines riesigen Platzes. Hinter dem Schloß
erstreckt sich der 125 Hektar große Schloßpark. Den
Kontrapunkt zum Schloß bildet in 500 in Entfernung die
Stadtkirche, die trotz ihrer Monumentalität deutlich
bescheidener als der Palast des weltlichen Herrn
ausfällt. Der weite Raum zwischen dem gepflasterten
Vorplatz des Schlosses und der Kirche wird von
Grünanlagen, einem künstlichen Teich - dem Bassin - und
der Kaskade, einer Anlage für Wasserspiele, ausgefüllt.
Nachdem man sich im Eingang des Schlosses nach den
aktuellen Anfangszeiten der Schloßführungen erkundigt
hat, geht man zu Beginn des mindestens drei Stunden in
Anspruch nehmenden Stadt- und Parkrundgangs am besten
zunächst einmal zur Stadtkirche hinüber. Man passiert
dabei die zweigeschossigen, konkav gekrümmten
Backsteinbauten zu beiden Seiten des Bassins, die den
höheren Hofangestellten als Wohngebäude dienten.
Dann kommt man zum besonders stimmungsvollen
Häuserensemble von eingeschossigen
Fachwerk-Reihenhäusern, die den Kirchplatz flankieren.
In ihnen wohnten die niederen Lakaien des Hofes.
[ Der Schein trügt überall ]
Die dringend renovierungsbedürftige Stadtkirche wirkt
von vorn wie ein antiker Tempel. Diese Fassade täuscht
Pracht aber nur vor, denn ein Rundgang um die Kirche
enthüllt die sehr bescheidene Außengestaltung ihrer
übrigen drei Seiten. Fassade und Kirche sind auch,
anders als antike Tempel, nicht aus massivem Stein,
sondern aus Ziegelsteinen erbaut, die heute unter
abbröckelndem Putz überall
sichtbar werden. im Inneren der Stadtkirche spielen
Effekte eine große Rolle. Das riesige Altargemälde ist
mit einer Fläche von 350 qm das größte
Norddeutschlands; es stellt die Verkündigung an die
Hirten dar. Im Himmel des Gemäldes sind in der mit
Leinwand bespannten Holzwand Löcher ausgespart. Im 18.
und 19. Jahrhundert wurden Kerzen dahinter gestellt, die
einen flimmernden Sternenhimmel vortäuschten. Die
Kassettendecke ist nur ausgemalt die beheizbare
Fürstenlege zieren Ornamente aus Pappmaché.
[ Akten wurden zu Pappmaché ]
Pappmache fand auch im Schloß reichlich Verwendung. Zu
Herzog Friedrichs Zeiten war in Ludwigslust eine
Manufaktur entstanden, die Büsten, Reliefs,
Schmuckvasen, Statuen und Ornamente aus gepreßtem Papier
produzierte. Durch Vergoldung, Kalkanstrich oder
Bronzierung
wirkten diese täuschend echt. Die Mannfaktur
beschäftigte zeitweilig über 20 Arbeiter und verkaufte
ihre Erzeugnisse weit über die Grenzen Mecklenburgs
hinaus. Ganz im Sinne modernen Recyclings
wurden alte Akten als Rohstoff verwendet. Ein besonderes
Rezept erlaubte sogar die Herstellung von
Pappmache-Statuen, die ohne größere Schäden ein
Sommerhalbjahr lang im Freien aufgestellt werden konnten.
Von den über 100 Räumen des Schlosses sind zur Zeit nur
einige wenige der Öffentlichkeit zugänglich, darunter
der »Goldene Saal«, der als Konzert- und Ballsaal
diente. Hier sind fast alle Schmuckelemente aus
hauchdünn mit Blattgold belegtem Pappmaché gefertigt.
Im Schloßcafé, dem ehemaligen Jagdsaal, sind einige als
Jagdtrophäen zur Schau gestellte Hirschgeweihe sogar an
Hirschköpfen aus Pappmaché befestigt.
Der Schloßpark mit seinen vielen seltenen in- und
ausländischen Bäumen, Wasserläufen und -spielen, einer
künstlichen Burgruine, zwei Mausoleen und einer kleinen
neugotischen Kirche wurde im 18. Jahrhundert als
Barockgarten angelegt und im 19. Jahrhundert, wie es dem
damaligen Zeitgeschmack entsprach, in einen englischen
Landschaftspark umgewandelt.
Beide Gestaltungsformen sind heute kaum noch zu erkennen,
doch bleibt ein Rundgang durch den Park ein erholsames
Vergnügen.
Abgerundet wird der Eindruck von der Residenzstadt
Ludwigslust durch einen kurzen Rundgang, der über die
Schloßstraße, die zur Fußgängerzone erklärte
Lindenstraße, Am Seminargarten und die Kanalstraße
zurück zum Schloßplatz führt. Hierbei kommt man auch
am Rathaus in der Schloßstraße vorbei, das in den
Räumen der einstigen Pappmaché-Manufaktur untergebracht
ist; und man passiert die klassizistischen Häuser
Kanalstraße 20 und 22, in denen die Baumeister wohnten,
die das Bild der Stadt prägten: Johann Joachim Busch und
sein Nachfolger Johann Christian Georg Barca.
www.stadtludwigslust.de
Quelle:
1 aus "Historische deutsche Kleinstädte", ADAC Verlag